Woll- und Seidenweberei

Geraer Firma Getzner Textil Weberei GmbH erhält Thüringischen Denkmalschutzpreis 2008

Die Architektur der klassischen Moderne in Deutschland hat ihre Hochburgen – wie etwa Berlin, Frankfurt a. M., Stuttgart oder Dessau –, und sie hat ihre im ganzen Land verstreuten, oft weniger beachteten Vorposten. Zu ihnen zählt, auch wenn es bisher kaum jemand wusste, das thüringische Gera. Wenn die mit Kulturdenkmalen nicht eben reichlich gesegnete Industriestadt eine ganze Reihe von erstklassigen Zeugnissen des Neuen Bauens besitzt, so verdankt sie dies fast ausschließlich dem Architekten Thilo Schoder, der hier von 1919 bis 1932 lebte.

Nach dem realisierten Industriebau im Auftrag des Karosserie-Fabrikanten Golde, realisierte er 1925–26 einen zweiten großen Industriebau, die Erweiterung der Seidenweberei Schulenburg & Bessler in Gera und markierte einen Wendepunkt in seinem Schaffen.

Paul Schulenburg nahm 1925 die Produktion von Seidenstoffen auf und beauftragte den Geraer Architekten Thilo Schoder mit der Erweiterung seines Produktionsstandortes. Durch den sozialreformerischen Anspruch, von Bauherr und Architekt gleichermaßen getragen, entstand im Zeitgeist des Neuen Bauens ein Verwaltungsbau mit hohem baukünstlerischem Anspruch. Der Ziegelbau mit Pfeilervorlagen in den beiden Untergeschossen und horizontalen Fensterbändern in den beiden Obergeschossen wird durch die eigenständige Vertikalstruktur des mittig angeordneten Treppenhauses mit horizontalen Betonplattenstrukturen geprägt. Der hohe Anspruch an Qualität und Gestaltung wurde von Thilo Schoder auch in den Innenräumen mit farbig lasierten Klinkern und aufwendig gearbeiteten Terrazzo-Oberflächen umgesetzt. Diese Gestaltungsmerkmale sind im Treppenhaus, an den Aufzugstüren, an den Toiletteneinbauten und an den Brüstungsflächen unter Fensterbändern nahezu vollständig überliefert. Kernstück der Geschäftsetage sind die repräsentativen Geschäftsräume im 1. Obergeschoss mit wandfesten Ausstattungen wie Einbauschränken, Wandpaneelen, Garderobe, Türen mit Messingbeschlägen, Linoleum, Bagelit-Lichtschaltern sowie Ausstattungen wie z. B. einem Telefonschrank. Die bauzeitliche Farbgestaltung Schoders mit einer Vielzahl von Pastelltönen mit heller Farbdynamik zeigt Parallelen zu Farbgestaltungen des Bauhausstils und konnte vollständig analysiert werden.

Sanierung des Kulturdenkmals stellt Architekten Thilo Schoder in den Mittelpunkt: Preisträgern des Thüringischen Denkmalschutzpreises 2008 in der Kategorie technisches Denkmal ist die Firma Getzner Textil Weberei GmbH am Standort der früheren Woll- und Seidenweberei Schulenburg und Bessler in der Lange Straße 73 in der Otto-Dix-Stadt Gera.

Die Firma ist eine der acht Preisträger, die  aus den Händen des Thüringer Kultusminister Prof. Dr. Jens Goebel (CDU) in der Erfurter Thomaskirche die Ehrung entgegen nimmt. Die Auszeichnung wird Insgesamt in sechs Kategorien vergeben. Aus ganz Thüringen wurden 28 Vorschläge eingereicht.

Mit der Preisverleihung an die Firma Getzner Textil Weberei GmbH wird die Sanierung des Kulturdenkmals der ehemaligen Woll- und Seidenweberei Schulenburg & Bessler insbesondere für den von Thilo Schoder im Zeitgeist der Moderne geschaffenen Umbau gewürdigt. Diese Auszeichnung stellt gleichzeitig auch den Architekten in den Mittelpunkt, der in Gera mit einer Vielzahl von Bauten im Zeitgeist des Neuen Bauens den Schwerpunkt der Moderne in Thüringen bildet.

Hier kann man einen interessanten Artkel zur aufwendigen Sanierung des Industriebaus, ganz nach den Plänen Schoders, lesen.