Meisterhäuser von Walter Gropius (1925–26)

Neues Wohnen unter Kiefern

„Es hat sich ausgeweimart, wir gehen jetzt dessauern!“ Mit diesen Worten beschrieb der deutsch-amerikanische Maler und Bauhausmeister Lyonel Feininger im Februar 1925 seiner Frau Julia den bevorstehenden Umzug des Staatlichen Bauhauses von Weimar nach Dessau. In der zunehmend deutschnationalen Goethestadt war die Avantgarde-Schule in den Jahren zuvor immer wieder angefeindet worden, in der seinerzeit aufstrebenden Industriestadt in Sachsen-Anhalt erwartete sie im Vergleich dazu ein deutlich aufgeschlosseneres und liberaleres Klima.

Um den Neustart möglich zu machen, hatte die Stadt Dessau den Bauhaus-Direktor Walter Gropius mit der Planung und Umsetzung eines neuen Hauptgebäudes sowie dreier Doppelwohnhäuser und eines Einzelwohnhauses für die verschiedenen Bauhauslehrer beauftragt. Innerhalb weniger Monate entstand daraufhin ein beeindruckendes Ensemble von unterschiedlich gestalteten, inmitten eines Kiefernhaines errichteten Bauten, das bis heute zu den wichtigsten Zeugnissen der Bauhaus-Architektur zählt und seit 1996 in der UNESCO-Weltkulturerbeliste verzeichnet ist.

Charakteristisch für die Architektur der Meisterhäuser sind die schlichten geometrischen Formen, die strahlend-weiß verputzten Fassaden sowie die großen, klar geschnittenen Fensteröffnungen. Im luftig-hellen Innenraum verfolgte Gropius außerdem die Idee von standardisierten Grundrissen entsprechend seinem „Baukasten-Prinzip“, um so mit vorgefertigten und flexibel kombinierbaren Raumelementen Kosten und Zeit zu sparen.

Prominente Mieter

Walter Gropius und László Moholy-Nagy richteten ihre Häuser komplett mit Möbeln von Marcel Breuer ein, andere Meister brachten ihr eigenes Mobiliar mit. Sämtliche Häuser waren mit Einbauschränken und modernen Hausgeräten ausgestattet. Die Liste der Bewohner*innen liest sich wie ein „Who is Who“ der Moderne, zu ihnen gehörten: László Moholy-Nagy und Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und Paul Klee mit ihren Familien. Später lebten hier u. a. Hannes Meyer, Ludwig Mies van der Rohe, Josef Albers, Hinnerk Scheper und Alfred Arndt. Bei der Farbgestaltung der Innenräume entwickelten Künstler wie Klee und Kandinsky eigene Ideen, die im engen Zusammenhang mit ihrem Werk standen.

Bewegte Geschichte

Nach der Schließung des Bauhauses durch die Nazis 1933 wurden die Meisterhäuser zunächst durch die vor Ort ansässigen Junkers-Werke aufgekauft und als Wohnraum für Werksangehörige genutzt. Während des Krieges folgten die Zerstörung der Villa Gropius sowie einer Hälfte des Hauses von Feininger und Moholy-Nagy, nach 1945 wurden die verbliebenen Bauten nur wenig beachtet und als Mehrfamilienhaus oder als Poliklinik genutzt. Dabei verwahrlosten die Bauten immer mehr, zudem wurden wichtige Funktionszusammenhänge durch bauliche Eingriffe verändert.

Erst Anfang der 1990er-Jahre konnte damit begonnen werden, die Meisterhäuser sukzessive in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Zwischen 1998 und 2001 erfolgte dabei die Sanierung des Meisterhauses von Georg Muche und Oskar Schlemmer. In enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege und dem Berliner Büro Brenne Architekten wurde eine nicht-rekonstruierende Sanierung erarbeitet, die es erlaubte, die unterschiedlichen Zeitschichten des Hauses freizulegen: „So sind noch etwa 75 Prozent des ursprünglichen Außenputzes, andererseits aber auch die Heizkörper aus DDR-Zeiten vorhanden“, erklärt Architekt Winfried Brenne. „Die Verglasungen der 1939 entfernten großflächigen Treppenhaus- und Atelierfenster wurden dagegen in Größe, Teilung und Ausprägung gemäß den historischen Vorbildern wiederhergestellt.“ Seit der Fertigstellung der Sanierung im Winter 2001/2002 wird das Gebäude vom Design-Zentrum Sachsen-Anhalt für Ausstellungen und Präsentationen sowie von der Stiftung Bauhaus Dessau für Studienzwecke und als Gästehaus genutzt.